Mittwoch, 2. Januar 2019

mit Hembadoo in den Urwald

Wir gehen mit vollen Segeln an den Start und sind, dank des geschenkten Stroms, mit um die acht Knoten flott unterwegs. Es passt alles zusammen, wir kommen genau mit einlaufender Tide am Maroni an. Wenn man so nah an der Küste unterwegs ist muss man sehr aufpassen denn es sind viele Fischer unterwegs. AIS haben sie nicht, aber wir sehen ihre Lichter. Nur alle 15 Minuten ein Rundblick ist zu wenig. Am Tag ist es noch schlimmer die relativ flachen Fischerboote verschwinden in den Wellentälern und sind kaum zu erkennen. Andere Ankern mitten im Nirgendwo und schlafen (die Küstengewässer sind sehr flach). Also Augen auf.
Die Ansteuerung des Maroni ist gut betonnt. Da sich die Sandbänke in der Einfahrt häufig verändern, wird das Fahrwasser gelegentlich verlegt. Als wir in den Fluss eingefahren sind, lag die Betonnung ganz anders als in der Seekarte angegeben.
Der Maroni ist schon ein gewaltiger Fluss, er ist 5 km breit. Die Fahrrinne führt aber zeitweise keine 50 Meter vom Ufer entfernt. Wir kommen vorbei an Mangroven und üppigem Urwald. Unterbrochen von kleinen Sandstränden an denen im April und Mai Lederschildkröten ihre Eier ablegen werden. Aber wir bleiben nicht lange auf dem Maroni. Am Sonnabend 15. Dezember biegen wir nach links ab in die Nebenflüsse und rein in den Amazonas Urwald. Die Navionics Karte stimmt nur teilweise und zeigt keine Wassertiefen, sie reicht aber zur Orientierung aus.
Die Fahrt auf dem „Crique's" ist eine Flussfahrt durch die unberührte Natur, keine Brücken, keine Menschen (unsere geplante Strecke beträgt ca. 35 sm). Zwei Flüsse werden durch drei andere miteinander verbunden und damit hat man eine Rundreise, d.h. wir kommen 12 Meilen weiter oben wieder in den Fluss Maroni zurück. Erst einmal fahren wir den „Crique Coswine“ soweit es geht (oder wir Lust haben) Flussaufwärts dann wider ein Stück zurück um in den Crique Canard einzubiegen. Hier befindet sich auch die einzige Flach Stelle der gesamten Flussfahrt. Dann geht es weiter in den Crique 1900, den Crique Vaches und letztendes den Crique aux boets lamentins wider zum Maroni.

Links und rechts befindet sich dichter Urwald, das Flussufer ist anfangs noch mit Mangroven bewachsen. Etwa 3,5 Seemeilen weiter oben im Fluss ist das kleine Indianerdorf, Ayawande. Dort ankern wir. Da es schon gut nach Mittag ist, verschieben wir unseren Besuch auf den nächsten Tag. Am Abend hören wir viele Tierstimmen und es ist Vollmond. Eine Stimmung, schöner könnte sie nicht sein.
Am nächsten Tag fahren wir mit dem Dingi zum modernen Aluminium Bootsanleger des Dorfes. Wir spazieren durch das Dorf Ayawande und treffen nur ganz wenige Leute an. Die Kinder sind in der Schule und die anderen arbeiten außerhalb des Dorfes. Gleich rechts neben dem Steg ist die Dusche des Ortes, links heißt uns ein Schild willkommen.
der erste Ankerplatz vor dem Dorf
ein moderner Schwimm-Steg für die Fischer
na was für eine Begrüßung








Oben ist der Urwald gerodet, rund um den sandigen Dorfplatz stehen ein paar Holzhütten mit offenen Küchen unter Palm-gedeckten Dächern und, wir können es kaum glauben, Solar-Straßenleuchten (wir vermuten das der Steg und die Beleuchtung eine Spende vom Raumfahrtzentrum sind). Irgendwo hören wir Axtschläge und spazieren dorthin, denn dort trifft man sicher jemanden an. Wir haben einen freundlichen Mann angetroffen, welcher mit einem Beil Spanten für eine Pirogge bearbeitet. Damit stabilisiert er eine 11 Meter lange Pirogge die aus einem Einbaum und mächtigen Seitenbrettern besteht. Er erklärt uns, wie er das gelernt hat und und wie man so eine riesiges Kanu herstellt. Ja, wir sind hier in der EU, in Frankreich (oder doch in Afrika?) denn hier kochen die alten Frauen auf offenen Feuer. Abends, nach dem Bad laufen sie barbusig herum und die Kinder sind nackig.
Blume im Haar?, denkt sie etwa hier ist Hawaii

Blick vom Dorfplatz
die Dachkonstruktion ist beeindruckend

wie hier eine Pirogge entsteht
ist schon erstaunlich

unten das dunkle ist der mit der Axt ausgehölte Einbaum

Solarleuchten - die Bewohner freuen sich, aber her passen tut das gar nicht
Besonders interessant fand ich eine relativ kleine Fläche am Dorfrand. Sie wurde durch Brandrodung geschaffen. Die Düngung durch die Asche hält nicht lange an dann bleibt nur noch der unfruchtbare Sand übrig. Hier konnte man sich Live davon überzeugen was nach der Brandrodung und nach einer gewissen Zeit übrig bleibt. Es sieht aus als ob die Maniokpflanzen die unsortiert im Sand steckten damit gerade noch so zurecht kommen. Übrigens wird der gestampfte Maniok dann als Maniokfladen auf einem Blech und über offenen Feuer gebacken.
man erkennt sofort das
das hier kein fruchtbarer Boden ist








Brandrodung mit verheerenden Folgen
In Brasilien konnten wir die riesigen Rauchwolken der Brandrodungen im großen Stiel beobachten. Auch in Jacare gegenüber der Marina. Die Folgen sind verheerend. Zuerst kommen unzählige Tiere in den Flammen um, die sich nicht retten können, dann verursacht die Brandrodung einen erheblichen Teil des weltweiten CO2-Ausstoßes, und schließlich fehlt die üppige Vegetation des Regenwaldes, um Wasser, Nährstoffe und CO2 zu binden. Zwar bietet die Asche der Bäume noch für einige Zeit Nährstoffe, aber der dünne und durchlässige Waldboden wird nach der Rodung durch den Regen schnell ausgeschwemmt. Die kleineren Pflanzen können Wasser und Nähstoffe nicht so gut speichern, die Sonne brennt unbarmherzig und nach wenigen Jahren wird aus diesem Gebiet eine Steppenlandschaft (für die Zucht von riesigen Rinderherden).
zum Abschlüß noch ein erfreulichen  Blick
auf den unberührten Regenwald








Aber es gab noch eine freudige Überraschung. Die SY Nadin mit Ilse und Uli liegen hier auch vor Anker. Sie sind von St. Laurent gekommen. Wir konnten aber nur kurz miteinander reden denn sie wollten weiter nach Tobago (Karibik), aber sie warnten uns schon mal vorab vor den vielen Regen in St. Laurent.
die SY Nadin
wir treffen uns immer wider mal








Für uns dagegen ging es weiter Flussaufwärts, weiter rein in den Regenwald. Nach nur ein paar Metern Fahrt im Fluss befindet man sich in einer anderen Welt. Mit dem Beiboot sind wir von unserem zweiten Ankerplatz einige Meilen in eine kleine Abzweigung hochgefahren. Wir haben glücklicherweise das Smartphone mit Karten und GPS mitgenommen und einen Track unserer Beiboot-Reise aufgezeichnet. Den der Weg zurück zu Hembadoo, bei den vielen Biegungen und Verzweigungen im Fluss, wäre ohne den GPS nur sehr schwer wieder zu finden. Und in diesem einsamen Gebiet könnte es sein, dass wochenlang keine Menschenseele vorbei kommt. Das war so richtig nach unseren Geschmack. Das ganze haben wir dann ein paar Tage später an einem größeren Abzweig noch einmal wiederholt.
der zweite Ankerplatz
und mit dem Dingi in ein schmalen Abzweig

einfach nur

schön






hier bekommt man die  Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie
von Manfred von Ardenne (Physiker) umsonst
 Die Stelle an der wir nun ankern wollen, ist deutlich schmaler als die anderen. Dafür deutlich tiefer. Wir können nicht genau in der Mitte ankern, das heißt wir müssen etwas näher zum Ufer um eine Tiefe unter 12 Meter zu finden. Das Ankern in großer Tiefe bedeutet viel Kette und dadurch großer Schwoi-Kreis (hin und her schwingen).
Da wir aber mit der Tide uns im Fluss mal in diese, mal in jene Richtung drehen, ist nicht ausgeschlossen, dass wir gegen das Ufer treiben könnten. Es kam wie es kommen musste, wir drehten uns mit dem Hinterteil von Hembadoo zum Ufer und hatten allerlei Blätter und Zweige an Deck. Das allein wäre kein Problem. Aber bei den vielen Tierstimmen in der Nacht möchte ich nicht wissen wer da alles Hembadoo erkunden möchte und vor unserer Eingangstür hängt nur ein Moskitonetz (seit wir auf dem Fluss sind habe ich das große Jagd-Messer immer auf dem Nachttisch liegen – für eventuelle, ungebetene tierische Besuche). Also wider Anker auf und besseren Platz suchen.
an manchen Ankerplätzen muß man doch relativ dicht an das Ufer

auch wenn es schön aussiht
zu dicht ist schlecht








Es gibt nichts hier, außer Wald, Flüsse und Tiere. Tiere sieht man außer Vögel und großen Schmetterlingen keine, aber man kann sie – vor allem nachts – gut hören. Eines Nachts habe ich einfach mal vier Töne „abfallend“ also von hoch nach tief gepfiffen. Es hat nicht lange gedauert da pfiff der erste Nachahmer zurück. Nach einigen hin und her antwortete mit der exakten Tonfolge ein Vogel auf der anderen Uferseite. Jetzt hörte ich auf zu pfeifen. Und es ist kaum zu glauben aber die beiden Vögel machten noch eine Weile allein weiter. In der Nächsten Nacht wiederholten wir das Spielchen. Doch plötzlich mischte ein weiterer Vogel mit. Mit einer einer absolut rauen und krächzenden Stimme versuchte er die vier Töne nachzumachen, es war zum kaputt lachen. In einer weiteren Nacht, wir waren nicht allzu weit vom Ufer entfernt hörten wir das Brechen von Zweigen als wir uns dort hin wandten leuchteten uns zwei knall-gelbe (wahrscheinlich Raubkatzen-Augen) an. Wir bekamen automatisch und sofort eine Gänsehaut.
hier würde es Tarzan und Jane gefallen, denn Lianen um sich von Ort zu Ort zu bewegen, gibt es genug.
Wenn Französisch Guyana neben dem Weltraumbahnhof noch mit etwas anderem in Verbindung gebracht wird, dann ist es die Fremdenlegion. Vor dem geistigen Auge tauchen muskelbepackte Kerle auf, die durch Schlamm robben und sich mit einem Messer zwischen den Zähnen durch den Dschungel kämpfen. Zum diesem Klischee passt, dass tatsächlich US-Marines zur Ausbildung in die Urwald-Camps der Fremdenlegion geschickt werden. Am Maroni ist ein Teil des 9. Regiment der Fremdenlegion stationiert.
eine weitere Dingi Fahrt füührte üns zu rätselhaften längst verlassenen Plätzen

einen davon
unersuchten wir genauer

hoffentlich schwimmt hier keime Anakonda herrum

Abschließend kann man nur sagen dieser Abstecher in die Nebenflüsse ist unbedingt empfehlenswert! So einfach kommt man wohl nirgends sonst mit dem eigenen Schiff in den Regenwald. Wir haben schon früher gedacht, zur Mutter aller Flüsse, dem Amazonas in Brasilien zu segeln, man kann dort 600 oder gar 700 Seemeilen hochfahren. Im Delta des Amazonas gibt es Inseln, welche halb so groß wie die Schweiz sind. Zudem ist das Amazonas-Gebiet relativ dicht besiedelt aber die brasilianische Nordostküste wird als sehr gefährlich beschrieben (Raub, Mord und Totschlag). Deshalb war das Gebiet für uns tabu, aber das, was wir suchen kann man in Französisch Guyana viel einfacher, schöner, bequemer und dazu wirklich sehr idyllisch bekommen.

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