Sonntag, 7. August 2016

Die Insel La Graciosa

Auf zur Insel La Graciosa
In Funchal (Madeira) sind wir wegen des Windes in Sturmstärke von bis zu 8 Beaufort zwei Tage länger als geplant geblieben.
Für unseren Törn nach La Graciosa (nördlich von Lanzarote) ist für die nächsten Tage Nord-östlicherlicher Wind von 4 Beaufort vorhergesagt. Also am 15.Juli, um kurz nach 9.30 Uhr, lösen wir die Leinen von der Mole, verlassen den Hafen und bewegen uns mit Motorkraft nach Süd-Osten, den Kanarischen Inseln entgegen. Die Sonne brennt und zum Segeln ist der Wind zu schwach. Aber noch waren wir in der Windabdeckung der Inseln. Nach vier Stunden haben wir uns so weit von der Madeira Inselgruppe entfernt, dass der Windschatten und die Funktion eines Wellenbrechers nicht mehr vorhanden war. Der Wind blieb schwach wir mussten die Segel mit dem Motor unterstützen. Aber die Wellen, die hatten von den vorangegangenen Sturm noch eine Höhe von 4 bis 5m. Ich bin dann runter in den Salon um die Luftmatratze mit dem Kompressor aufzupumpen. Auf den Knien und mit dem Kopf nach unten passierte was ich nicht für möglich gehalten hätte – mir wurde ganz furchtbar Schlecht (Seekrank). Jetzt gab es nur einen Weg nach oben ins Cockpit und den Blick auf den Horizont gerichtet um den Gleichgewichtssinn und dem Gehirn eine gewisse Orientierung zu geben. Aber es kam noch verrückter. Bei dem gewaltigen Schlingern klapperte etwas in der Kombüse. Ingrid machte sich auf um die Sachen zu befestigen (wie wir es schon zig mal gemacht haben) nach einer weile kommt sie ganz blass und wie ein Häufchen Elend nach oben. Da saßen wir beide nun konnten kaum ein klaren Gedanken fassen. Nach 30 Jahren die wir uns nun auf dem Wasser bewegen sind wir das erste mal Seekrank. Bis weit in die Nacht blieben wir im Cockpit und Essen ist erst einmal ausgefallen. Wir mussten aber mit dem Rhythmus der Wache beginnen, obwohl es uns vor dem gang nach unten Grauste. Aber die drei Stunden Schlaf müssen sein und Poseidon sei dank nach den ersten drei Stunden ging es uns schon etwas besser. Am nächsten Tag ging es uns mittlerweile viel besser auch der Wind nahm etwas zu und wir konnten den Motor abstellen. Hembadoo zog bei 4 Windstärken und halbem Wind über dieses unglaublich tiefe (5.000 m) und unglaublich blaue Wasser ihre Bahn. Allmählich geht der zweite Tag auf See in den Abend über. Berufsschifffahrt ist bisher nicht in Sicht, bzw. auf dem Plotter nicht auszumachen (keine AIS-Signale) und wir sind ganz allein auf dem großen Atlantik.
Nun beginnen wieder die Wachen: Bis 21 Uhr habe ich noch frei, dann bin ich bis 24 Uhr an der Reihe. Bis 3 Uhr übernimmt Ingrid, bis 6 Uhr bin ich dann wieder dran.
Die surreale Insel La Graciosa
Es ist der 17.Juli und es ist Land in Sicht – die nördlichste Insel La Alegranza – ein verlassener Leuchtturm und viel Nichts. Touristen dürfen die Insel der „Freude“ nicht betreten. Wegen der Vögel und ihrer Brutstätten. Einer der hier gezählten 11000 Atlantik-Sturmtaucher, saust an uns vorbei, als das Boot langsam an der Südseite der Insel vorbeizieht. La Alegranza, die „Insel der Freude“, ist ein großer Felsen mit etwas Drumherum. Nicht ein einziger Baum wächst da. Dafür existieren neben Leuchtturm und Schiffsanleger noch ein Vulkan und viele Vögel. Wir sehen noch weitere unbewohnte Inseln wie Montana Clara und der große Felsen Roque del Oeste. Die Meerenge zwischen Lanzarote und La Graciosa heißt "El Rio" und ist nicht ungefährlich, es herrscht eine starke Strömung und durch den Düsen-Effekt legt der Wind auch noch einmal zu. La Graciosa, die Anmutige, so wurde die Insel 1402 vom normannischen Seefahrer Jean de Bethencourt getauft. Die mit knapp 30 km² kleinste bewohnte Insel der Kanaren liegt direkt nördlich von Lanzarote. Wir erreichen wohlbehalten den Hafen und sind gespannt ob man uns vertreibt (auf unsere E-Mail bekamen wir ja keine Antwort). Aber ein hilfsbereiter Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes winkt uns zu, weist uns einen Liegeplatz zu und nimmt uns dann dort in Empfang. "Welcome! All okay on Board?" Yes, it's all okay. Unser Schiff schwimmt in türkisblauem Wasser, vom Steg aus sehen wir den Kiel schimmern.
Hembadoo im glasklaren Wasser
Trinkwasser ist am Steg vorhanden, es wird allerdings am Abend abgestellt. Stromanschlüsse für 230 Volt gibt es auch, aber sie funktionieren nicht (gut das wir unsere Photovoltaik-Anlage haben). Im Hafen-Office können wir uns erst am Montag anmelden. Dann machen wir uns zu einem ersten Erkundungsgang auf. Wir mussten uns die Augen reiben von wegen Ruhe und Natur. Für einem Moment fühlten wir uns wie auf dem Ballermann – eine Wasserparty mit lauten Salza-Klängen und toller Stimmungsmusik – was für eine Party. Die Getränke flossen in Strömen und die aufgeheizten Gemüter wurden mit zwei Riesen Wasserschläuchen gleich wieder abgekühlt. Na das nenne ich mal eine Begrüßung.
die Musik ist Ohrenbetäubend -
aber eine "Bomben Stimmung"
Später erfuhren wir das sich die Veranstaltungen bis zum nächsten Wochenende wegen regionaler Feiertage hinziehen – gut für uns. In der Nacht hatten wir auf unseren Schiff noch einen Logenplatz für das Feuerwerk.
spanische Folklore, Tango und Samba
auch die kleinsten wurden gefeiert



fast alle sahen sich die Tanz-Show an
groß und klein zusammen
Am nächsten Tag meldet Ingrid uns im Marinabüro an. Bei dieser Gelegenheit schauen wir uns die sanitären Anlagen des Hafens an sie sind mehr als bescheiden. Es gibt jeweils eine Toilette und eine Dusche für Männlein und Weiblein. Wobei Weiblein ohne Brausekopf auskommen muss - der fehlt nämlich. Es empfiehlt sich, bei Tageslicht zu duschen - es hängen nur ein paar traurige Kabel aus der Wand. Bisher hat niemand Zeit oder Lust gehabt, eine Lampe anzuschließen. Gut das wir eine Warmwasserdusche auf unserem Boot haben.
wer sein Boot liebt der schrubbt
Apropos Duschen, auch Hembadoo bekommt erst mal eine Süßwasserdusche. La Graciosa ist kein Ort für Liebhaber grüner Landschaften. Die größte Insel des Chinijo Archipels ist genauso öd und leer wie die übrigen. Und dennoch ist sie großartig. Ja, sie vermag sogar die Seele des „empfindsamen Reisenden“ zu berühren. Die Dorfstraßen von Caleta del Sebo sind Sandpisten.
Sand, Sand....
und nochmals Sand
La Graciosa ist Asphalt- aber nicht Auto-frei. Das bevorzugte Vehikel sind betagte Landrover beziehungsweise die in Lizenz gebauten Santana-Geländewagen. Caleta del Sebo liegt an einer kleinen Bucht. Einige Holzboote wurden auf den Sandstrand gezogen. Dort, wo die Bucht zu einem Hafen mit Anleger ausgebaut wurde, nimmt ein Mann einige Kisten in Empfang, die er auf eine Schubkarre lädt. Dieser Hafen ist die einzige Verbindung von La Graciosa mit dem Rest der Welt. Noch innerhalb der Hafen-Mauern befindet sich ein kleiner, feiner Sandstrand.
der erste kleine Strand mitten im Hafen
ein Phänomen die Wolken fließen den Berg hinab
Viele Kinder planschen im Wasser. Spätestens jetzt verspürt der Besucher entweder den dringenden Wunsch, schnell wieder zu verschwinden. Oder es regt sich bei vielen auch der Gedanke, unbedingt und möglichst lange hier zu bleiben. Wir machten einen ausgiebigen Strandspaziergang, anschließend gönnten wir uns eine super, lecker Fischsuppe und gebackenen Fisch im Restaurant, und dazu ein schönes kaltes Bier.
die Fischsuppe ist der absolute Hit
weiße Gebäude im Sand
Es wird langsam Abend. Von Westen strahlt schräg die Sonne auf die weiß gekalkten Wände der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründeten Kolonie. Einige Bewohner und Langzeittouristen sitzen am Hafen und warten darauf, dass die letzte Fähre des Tages kommt und vielleicht noch Neuigkeiten bringt. Die Einwohner auf La Graciosa leben von Fischfang und Tourismus. Hinzu kommen Fährenladungen von Tagestouristen. Insbesondere bei den Canarios ist die Insel ein beliebter Ort für Tagesausflüge.
Wieder bricht ein Tag an und wir verlassen nach dem ersten Vormittags-Kaffee unser Boot zu einer weiteren Erkundung der Insel. Wir hatten uns aber noch nicht so festlegen und suchten uns erst einmal ein kleines Café. Hier überlegten wir uns bei einer zweiten Tasse Cafe, ob wir nicht evtl. doch eine Radtour über die Insel machen wollte. Die anderen Touristen die mit der Fähre im halb Stunden Takt kommen, wussten wohl schon genau was sie wollten und so verteilte sich in kurzer Zeit die ganze Bootsladung über die kleine Insel.
Angeregt durch unseren vorangegangenen kleinen Spaziergang beschlossen wir, zu Fuß einen kleinen Küstenabschnitt zu erobern. Wir entschieden uns direkt am Meer entlang zu laufen. Eine gute Entscheidung, wie sich recht schnell heraus stellte. Denn so kamen wir vorbei an vom Sand fast verwehten Hauseingängen. Wer hier wohnt darf wirklich kein Problem mit Sand haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ihn hier aus den Häusern raus halten kann.
in der Natur fühlt man sich wohl
die Füße glühen jede Abkühlung ist willkommen
Wir liefen einfach so lange am Strand entlang bis wir alle Touristen hinter uns gelassen hatten und einen Strandabschnitt ganz für uns alleine fanden. Erstaunlicher Weise gab es hier so gut wie keine Muscheln nur viele leere Schneckenhäuser.
Nach ca. zwei Stunden brannte uns der Rücken und da mein Magen auch langsam nach Nahrung schrie, machten wir uns früher als gedacht auf den Rückweg und schlenderte zurück nach Caleta del Sebo. Hier suchte wir uns ein kleines Restaurant etwas abseits des Hafens und bestellten uns einen gegrillten Papageienfisch nebst Beilagen (lecker).
Am westlichen Ende des Dorfes fanden wir den Campingplatz und staunten wie viele Jugendliche in dieser kargen Gegend Urlaub machen. La Graciosa hat etwas Surreales. Die tiefen, kräftigen Farben, dieser mikroskopisch kleine Fleck, Zivilisation auf der ansonsten vereinsamten Insel, die Vulkankrater und die Badebucht mit ihren kräftigen, den Badenden über den Boden schleifenden Wellen. Die Stimmung ist sehr familiär, und wir wurden sowohl von den Jahresliegern als auch von den Einwohnern offenherzig empfangen. Ein bisschen verliebt waren wir schon in diesen Ort. Deshalb beschlossen wir am nächsten Tag im Hafen-Office um eine Verlängerung unseres Aufenthalts zu bitten und ein längerer Aufenthalt wurde uns gewährt.
mittlerweile ist unsere Fischsuppe -
mindestens genauso gut wie die Einheimische
Wir sind auf Vulkane geklettert, waren baden, sind durch die Steinwüste marschiert (zwei mal Hochleistungswandern, bei brütender Hitze jeweils um ein Vulkan). Sehr abenteuerlich war auch die Aktion „Salz-Ernte“ am zerklüfteten Südwestlichen Ende der Insel. Ein sehr nettes schwedisches Seglerpaar gab uns den Tipp und klärte uns über die gesundheitlichen Vorzüge auf (hoher Magnesiumgehalt u.s.w.)
fertig zur Wanderung
die spärliche Vegetation ist schon eigenartig
komm weiter gehts das Ende ist in Sicht
Pause auf der Lava-Kante
Salz
der Weg zum Salz ist kein leichter
Am liebsten haben wir am Strand oder am Hafencafé gesessen, die Ruhe genossen oder den Anglern zugeschaut, die mit etwas Glück und Hilfe der Einheimischen mal einen Wolfsbarsch und andere Delikatessen gefangen haben.
der Party-Cat ist der Hit bei den Turis
Tanz auf allen Ebenen
Baden in der Bucht
die tägliche Begrüßung des Papageis ein lautes Olla
Nach 11 Tagen im Hafen haben wir beschlossen diesen zu verlassen und noch ein paar Tage in der Playa Francesa zu verbringen. Bevor wir ablegen können, müssen wir uns noch im Hafenmeisterbüro abmelden und das Liegegeld bezahlen. Für die 10 Übernachtungen bezahlen wir 128 Euro das ist im Vergleich zu den anderen Häfen zu dieser Jahreszeit preiswert. Nach der Ankunft in der Ankerbucht checkte ich noch einmal die Wetterkarte, der Wetterbericht verhieß aber nichts gutes für die nächsten Tage und in der Nacht wurden wir ordentlich durch geschaukelt, deshalb beschlossen wir am nächsten Tag den Anker zu lichten.
noch ist es ruhig in der Ankerbucht
doch das Wetter wird schlechter


Und wieder heißt es Abschied nehmen. Heute soll es weitergehen, unser Ziel ist die neue Marina Lanzarote in Arrecife, der Hauptstadt Lanzarotes.