Nach
dem halben Jahr Afrika und der darauf folgenden Einsamkeit auf dem
Atlantik, tauchen die ersten Hochhäuser auf – Wolkenkratzer wäre
zu viel gesagt, doch erst mal ist da eine moderne, große Stadt!
„Haben wir uns verfahren, sind wir etwa in New York?“,
fragte Ingrid scherzhaft.
Die Skyline von Salvador
Wir fahren entlang der Hochhäuser,
dazwischen eine alte Kirche aus Kolonialer Zeit, darunter kleben die
teils bunten, teils mit schwarzem Schimmel überzogenen Häuschen der
Favelas am Hang. Wir suchen und finden einen halbwegs brauchbaren
Ankerplatz zwischen den Ausflugsbooten.
seit langer Zeit ein Ankerplatz
vor einer Marina
Es ist Freitag, der 28.04.,
die Behörden zum Einklarieren haben geschlossenen und da Montag der
1. Mai ist können wir erst am Dienstag den 2. Mai Einklarieren.
Eigentlich dürften wir das Marina-Gelände nicht verlassen, denn wir
sind illegal in Brasilien. Aber wo kein Kläger da kein Richter und
so nutzten wir die Zeit zu einer ersten Erkundung von Salvador.
Entlang der Straße reihen sich die Busse, die in die anderen
Stadtteile fahren, ein als wären sie an einer Perlenschnur
aufgereiht. Autos und Motorräder brausen daneben her, die Straße zu
queren ist ein Spiel mit dem Leben, das wir nur mit viel Geduld
überleben. Früher oder später kommt eine Lücke! Und dennoch,
soviel Gefahr wie hier in der ersten halben Stunde, sind wir auf See
in 25 Tagen nicht ausgesetzt gewesen!
gerade an Land und gleich E-Mails checken
wir müssen uns wider an den Trubel gewöhnen
und sofort eine Kokosnuss trinken
Der Straßenverkehr ist immer
und überall das Gefährlichste! In engen Gassen wird Obst angeboten,
an jeder Ecke, an jeder möglichen Stelle wird etwas von kleinen
Ständen oder aus Kühlboxen verkauft: Uhren, Fernbedienungen,
Spielzeug, Kleidung, Zeitungen, Obst, Snacks, Zigaretten, Kokosnüsse
und natürlich „Aqua gelada! Aqua schelada! Eis-Gekühltes Wasser!“
Musik ist auch immer irgendwo. Es wird sogar zwischen den Verkaufs-Ständen getanzt.
die beiden haben den Samba im Blut
das ist große Klasse
Wir haben das Gefühl je kleiner der
Verkaufsstand desto größer die Lautsprecher-Boxen. Und ja, die
Menschen, die sind bunt, nicht nur die Kleidung sondern auch die
Hautfarbe (und vor allen bei den jungen Frauen die Haarfarbe) Die
meisten haben die Farbe von Milchkaffee, aber manchmal ist kein
Kaffee dabei, auch wenn die Sonne für etwas Farbe sorgt (so wie bei
uns) und manchmal keine Milch, meistens jedoch die Mischung, mal mehr
mal weniger. Wir kaufen Mangos,
Maracuja, Kaki und super schmeckende kleine Bananen an einem der
vielen Obst-Stände. 30 Real möchte der Obsthändler für die zwei
vollen Beutel, er nimmt das Geld, öffnet eine Schachtel, wirft es
hinein, keine Quittung, kein nichts. Das Geld verschwindet einfach in
eine Schachtel, und das bei jedem
Straßenverkäufer!
auf der Straße wird einfach alles verkauft
die Kleidung ein bisschen wie in Afrika
nur die Verpflegung ist hier üppiger
Wie die Menschen, so sind die Gebäude: Da ist
das Hochmoderne, neue Terminal für die Kreuzfahrtschiffe, moderne
Geschäfte neben unglaublichen Spielunken, bunte Kolonialbauten, halb
verfallen und verschimmelt, die großen Banken, zwar keine Paläste,
aber immerhin eindrucksvoll, neben den reinsten Bruchbuden! Es ist
unbeschreiblich! Nachdem wir uns über das Wochenende einen
allgemeinen Überblick verschafft haben. Ist jetzt Einklarieren
angesagt. Für diejenigen Segler die uns folgen möchte ich das
Prozedere etwas genauer beschreiben. (wir haben immer wider E-Mais
bekommen, wo gefragt wurde wie habt ihr dies und jenes gemacht und
Einklarieren ist oft ein ganz spezielles Abenteuer)
Mit den
Bootspapieren und den Pässen erst zur Policia Federal
(Immigration): Vom Centro Náutico nach links, entlang dem
Hafen (übrigens in der Mitte der beiden Fahrspuren befinden sich
die Bushaltestellen in fast alle Richtungen), vorbei am
Kreuzfahrtterminal und den Hafenbaracken, die mit
großen Zahlen beschriftet sind. An der Nr. 9, den Eingang nehmen
und am Tresen bekommt man eine Zugangskarte. Mit Hilfe der
Zugangskarte durch das Drehkreuz dann die Treppe hoch und ein ganzes
Ende den Gang nach links und dann wider ein paar Stufen runter dort
ist die Policia Federal. Ruhig fragen, die Menschen sind freundlich
und hilfsbereit. Durch ein kleines Loch in der Scheibe reicht
man seine Papiere und nach 20 Minuten bekommt man sein
abgestempelten Pass (90 Tage) und ein wichtiges Dokument.
Als nächstes muss man zur
Receita Federal, dem Zoll. Am Tresen erklärte man uns das wir den
Weg zurück bis zur Nr. 5 gehen sollen und direkt geradeaus zwei
oder drei Straßen überqueren dort befindet sich ein großes gelbes
Gebäude, das Ministerio da Fazenda, darin ist provisorisch die
Receita Federal, der Zoll. Das Gebäude der Receita Federal direckt
am Hafen wird umgebaut. Wir haben das Gebäude auch schnell
gefunden, aber man erklärte uns das es kein Büro der Receita
Federal in diesem Gebäude gibt. Jetzt mussten wir eine halbe Stunde
mit dem Taxi quer durch Salvador zur Hauptverwaltung des Zolls (das
ist ein richtig großes, blaues Hochhaus mit Großraum-Büros). Was
dann folgte kann man gar nicht in allen Einzelheiten beschreiben,
das muss jeder selbst erleben. Letztendlich hielten wir zwei Blätter
in der Hand auf dem eine Art Ausweis gedruckt war, der Beamte machte
uns noch klar das wir diesen Ausschneiden und Laminieren sollten.
Keine Fragen nach dem Boot, keine Frage nach zu verzollende Sachen,
nichts. Jetzt wider mit dem Taxi zurück und zur Capitania.
ein weiter Weg bis hierher, aber dafür
bekommt man ein besonderes Abenteuer
Mit den erhaltenen Papieren
(mittlerweile zwei) geht es zur Capitania. Dort sind lange Hosen und
feste Schuhe für Männer angebracht, andernfalls darf man nicht
hinein. Die Capitania befindet sich rechts (das große, weiße,
historische Gebäude) in einem kleinen Gebäude den Weg entlang
hinter der Naval Base. Aber erst muss man im Wachhäuschen sein
Anliegen vorbringen, dann wurden wir zu dem Großraumbüro geführt.
Wir mussten noch ein Formular ausfüllen, es wurden endlose Kopien
gemacht und dann hatten wir endgültig unsere Aufenthaltsgenehmigung
für Schiff und Besatzung in der Hand.
der Blick vom Mercado Modelo auf die Naval Base
Für diese Aktion kann man
getrost den ganzen Tag einplanen. Der Stadtteil in dem wir uns
befinden, nennt sich übrigens Comércio – und ist eine Welt der
Gegensätze, geballtes, lebendiges, lautes Brasilien. Das Comércio
ist quasi das Manhattan der Stadt, hier haben alle Banken ihre
Hauptquartiere, hier, gleich gegenüber dem Hafen, werden die
Geschäfte getätigt. Schick gekleidete Frauen (in langen Hosen,
Kleidern und mit geschlossenen Schuhen) und Männer (lange Hose, Hemd
oder Poloshirt) streben in die Büros und Geschäfte. Auch jene in
kurzen Hosen und Flipflops, gehen ihren Geschäften nach, wenn auch
unklar ist, wohin Sie streben. Und dazwischen in all der
Geschäftigkeit, die Junkies, abgemagert und mit Dreadlocks, und die
Obdachlosen, die im Müll, auf der Straße nach Essbaren suchen oder
im Schatten schlafen. Als nächste Aktion haben wir unseren
Ankerplatz verlassen und sind an den Steg gegangen, da wir einen
mehrtägigen Landausflug machen wollen, schien uns das sicherer, (am
Steg ist es durch die Lotsenboote und Fischer auch ziemlich unruhig)
.
der Steg ist ordentlich am Wackeln
die Gangway ist Steil und bewegt sich um 1m nach links und rechts
Seit ewig langer Zeit haben wir wiedermal Landstrom. Ingrid wollte
gleich die Waschmaschine rund um die Uhr laufen lassen. Aber es ging
nur bis zum ersten Abpumpen, dann verriet ein merkwürdiges Knarren
das die Laugenpumpe seinen Dienst verweigert. Bei 30 Grad und 87%
Luftfeuchtigkeit habe ich Schweiß
überströmt erst
die Waschmaschine und dann die Laugenpumpe ausgebaut. Als erstes
musste ich feststellen das die Pumpe eine Bauform hat, das es fast
unmöglich ist, das sie so halb kaputt ist. Der Testlauf außerhalb
der Waschmaschine im trockenen Zustand zeigt die Pumpe läuft
bestens. Dann ein Schlauch angebracht und mit Wasser gefüllt, Pumpe
knarrt und das Wasser bleibt im Schlauch. Jetzt stand ich da wie
„Rudi Ratlos“. Ich setzte mich auf den Navi Platz um etwas
abzukühlen, dabei schaute ich auf den Spannungsmesser und
schlagartig war mir klar warum die Pumpe nicht lief. Statt der
nötigen 220 Volt hatten wir nur 190 bis 200 Volt und damit konnte
nichts werden. Ich hätte mir ein Loch ins Knie bohren können, die
ganze Arbeit und der Schweißverlust umsonst, so ein Sch.......
alles umsonst
Im
Marina-Büro hat Ingrid das Problem angesprochen und die einzige
Ausrede die ihm einfiel war der Spruch – das ist halt Brasilien.
Jetzt waschen wir bis zum ersten Abpumpen mit Landstrom, dann starten
wir den Generator. Zwei
Tage lang machten wir einen großen Stadtbummel durch Salvador, der
schon lange auf sich warten ließ (vor allen in das historische
Zentrum, der Oberstadt). Salvador mit rund 3 Millionen Einwohnern ist
Hauptstadt des Landes Bahia und war von 1549 - 1763 Hauptstadt
Brasiliens. Schon während der Kolonialzeit blühte hier der Handel
mit Brasilholz, Zucker, Tabak und Sklaven. Bis heute ist Salvador die
afrikanischste Stadt Brasiliens und hat den größten Anteil an
dunkler Bevölkerung, die den Charme Salvadors prägen. Bei 30 °C
nicht unbedingt ein Vergnügen die Straßen auf und ab zu wandern.
tolle Fassaden in der Altstadt
schön
schöner
am schönsten
und gleich daneben Verfall
eine Gasse weiter kein Luxus aber interessant
viele Künstler sind in der Altstadt
na ja mal ein Touristen Foto
An
Geschäften gibt es hier eigentlich alles was das Herz begehrt. Wenn
man etwas gegen den Hunger braucht, geht man einfach in ein "Comida
a Kilo" (Kilo-Restaurant)dort
am Buffet packt man sich den Teller voll, lässt ihn anschließend
wiegen und bezahlt (3-6 Euro). Somit bezahlt man nur das, was man
essen möchte. Auch im Restaurant Camafeu (ist durchaus eine
Empfehlung) im ersten Stock des Mercado Modelo kann man gut Essen.
Ein
leckeres Essen ist Camaräo, das ist ein Garneleneeintopf zubereitet
in einem Tontopf und serviert mit Reis, Farofa (gebratenes
Maniokmehl) und Maniokpaste.
das Mercado Modelo
Links Filet und rechts Camaräo
na dann guten Appetit
Nachdem wir in zwei islamische Länder
waren und die Atlantiküberquerung hinter uns hatten und wir über
ein halbes Jahr kein richtiges Fleisch gesehen haben war hier unser
erstes wohlschmeckendes Essen „Filet a Brasileira“, beinahe hätten
wir die Teller abgeleckt. Dann
gibt es noch die Straßenmusik, die überall zu hören ist. Dienstags
und Freitags wird verstärkt gespielt, wobei die Capoeira Tänzer
einen Kampftanz ausführen, wo sich die Gegner nicht berühren
dürfen.
Capoeira der Sklaventanz
sehr Akrobatisch
Hier und da laufen auch noch bettelnde Kinder und versuchen
ihr Glück. An vielen Stellen steht in beiger oder blauer Uniform die
Polizei und wacht über alles, viele voll bewaffnet und in
schusssicheren Westen. Am ersten Tag fahren wir mit dem Aufzug
Lacerda in die Oberstadt, ins Pelourinho. Der Aufzug ist auf fast
jeder Ansichtskarte abgebildet. Die Fahrt ist sehr Preiswert, 0,15
Real, das sind etwa 4 Cent.
mit dem Aufzug in die Oberstadt
oder mit der Zahnradbahn
der Fahrpreis ist gering
einer kommt der andere geht
Am zweiten Tag sind wir mit der
Zahnradbahn
hinauf ins Pelourinho und mit dem Aufzug hinunter. Salvador (vor
allen in der Altstadt), das sind traumhafte Villen, schwarz mit
Schimmel überzogene Häuser und notdürftige Bretterbuden. Es sind
bunte alte Kolonialbauten, oft äußerlich schön renoviert, oft mit
blätternder Farbe und dem Stockflecken schwarz. Die Salzgischt der
Wellen und der Wind der diese ins Land weht, lassen noch weit im
Landesinneren alles korrodieren und schimmeln. Wir halten uns an die
allgemeine Empfehlung einer Stunde nach Einbruch der Dunkelheit nicht
mehr zu Fuß, in der Stadt unterwegs zu sein. Also immer mit dem Taxi
fahren. Jetzt freuen wir uns auf unseren ersten mehrtägigen
Landausflug nach Lencois der alten Diamanten-Gräber-Stadt. Mehr
darüber im nächsten Bericht.
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