Donnerstag, 18. Mai 2017

Salvador da Bahia - Brasilien

Nach dem halben Jahr Afrika und der darauf folgenden Einsamkeit auf dem Atlantik, tauchen die ersten Hochhäuser auf – Wolkenkratzer wäre zu viel gesagt, doch erst mal ist da eine moderne, große Stadt! „Haben wir uns verfahren, sind wir etwa in New York?“, fragte Ingrid scherzhaft.
Die Skyline von Salvador
Wir fahren entlang der Hochhäuser, dazwischen eine alte Kirche aus Kolonialer Zeit, darunter kleben die teils bunten, teils mit schwarzem Schimmel überzogenen Häuschen der Favelas am Hang. Wir suchen und finden einen halbwegs brauchbaren Ankerplatz zwischen den Ausflugsbooten.

seit langer Zeit ein Ankerplatz
vor einer Marina
Es ist Freitag, der 28.04., die Behörden zum Einklarieren haben geschlossenen und da Montag der 1. Mai ist können wir erst am Dienstag den 2. Mai Einklarieren. Eigentlich dürften wir das Marina-Gelände nicht verlassen, denn wir sind illegal in Brasilien. Aber wo kein Kläger da kein Richter und so nutzten wir die Zeit zu einer ersten Erkundung von Salvador. Entlang der Straße reihen sich die Busse, die in die anderen Stadtteile fahren, ein als wären sie an einer Perlenschnur aufgereiht. Autos und Motorräder brausen daneben her, die Straße zu queren ist ein Spiel mit dem Leben, das wir nur mit viel Geduld überleben. Früher oder später kommt eine Lücke! Und dennoch, soviel Gefahr wie hier in der ersten halben Stunde, sind wir auf See in 25 Tagen nicht ausgesetzt gewesen! 

gerade an Land und gleich E-Mails checken
wir müssen uns wider an den Trubel gewöhnen
und sofort eine Kokosnuss trinken
Der Straßenverkehr ist immer und überall das Gefährlichste! In engen Gassen wird Obst angeboten, an jeder Ecke, an jeder möglichen Stelle wird etwas von kleinen Ständen oder aus Kühlboxen verkauft: Uhren, Fernbedienungen, Spielzeug, Kleidung, Zeitungen, Obst, Snacks, Zigaretten, Kokosnüsse und natürlich „Aqua gelada! Aqua schelada! Eis-Gekühltes Wasser!“ Musik ist auch immer irgendwo. Es wird sogar zwischen den Verkaufs-Ständen getanzt.
die beiden haben den Samba im Blut
das ist große Klasse

Wir haben das Gefühl je kleiner der Verkaufsstand desto größer die Lautsprecher-Boxen. Und ja, die Menschen, die sind bunt, nicht nur die Kleidung sondern auch die Hautfarbe (und vor allen bei den jungen Frauen die Haarfarbe) Die meisten haben die Farbe von Milchkaffee, aber manchmal ist kein Kaffee dabei, auch wenn die Sonne für etwas Farbe sorgt (so wie bei uns) und manchmal keine Milch, meistens jedoch die Mischung, mal mehr mal weniger. Wir kaufen Mangos, Maracuja, Kaki und super schmeckende kleine Bananen an einem der vielen Obst-Stände. 30 Real möchte der Obsthändler für die zwei vollen Beutel, er nimmt das Geld, öffnet eine Schachtel, wirft es hinein, keine Quittung, kein nichts. Das Geld verschwindet einfach in eine Schachtel, und das bei jedem Straßenverkäufer!
auf der Straße wird einfach alles verkauft
die Kleidung ein bisschen wie in Afrika
nur die Verpflegung ist hier üppiger
Wie die Menschen, so sind die Gebäude: Da ist das Hochmoderne, neue Terminal für die Kreuzfahrtschiffe, moderne Geschäfte neben unglaublichen Spielunken, bunte Kolonialbauten, halb verfallen und verschimmelt, die großen Banken, zwar keine Paläste, aber immerhin eindrucksvoll, neben den reinsten Bruchbuden! Es ist unbeschreiblich! Nachdem wir uns über das Wochenende einen allgemeinen Überblick verschafft haben. Ist jetzt Einklarieren angesagt. Für diejenigen Segler die uns folgen möchte ich das Prozedere etwas genauer beschreiben. (wir haben immer wider E-Mais bekommen, wo gefragt wurde wie habt ihr dies und jenes gemacht und Einklarieren ist oft ein ganz spezielles Abenteuer)
  1. Mit den Bootspapieren und den Pässen erst zur Policia Federal (Immigration): Vom Centro Náutico nach links, entlang dem Hafen (übrigens in der Mitte der beiden Fahrspuren befinden sich die Bushaltestellen in fast alle Richtungen), vorbei am Kreuzfahrtterminal und den Hafenbaracken, die mit großen Zahlen beschriftet sind. An der Nr. 9, den Eingang nehmen und am Tresen bekommt man eine Zugangskarte. Mit Hilfe der Zugangskarte durch das Drehkreuz dann die Treppe hoch und ein ganzes Ende den Gang nach links und dann wider ein paar Stufen runter dort ist die Policia Federal. Ruhig fragen, die Menschen sind freundlich und hilfsbereit. Durch ein kleines Loch in der Scheibe reicht man seine Papiere und nach 20 Minuten bekommt man sein abgestempelten Pass (90 Tage) und ein wichtiges Dokument.
  2. Als nächstes muss man zur Receita Federal, dem Zoll. Am Tresen erklärte man uns das wir den Weg zurück bis zur Nr. 5 gehen sollen und direkt geradeaus zwei oder drei Straßen überqueren dort befindet sich ein großes gelbes Gebäude, das Ministerio da Fazenda, darin ist provisorisch die Receita Federal, der Zoll. Das Gebäude der Receita Federal direckt am Hafen wird umgebaut. Wir haben das Gebäude auch schnell gefunden, aber man erklärte uns das es kein Büro der Receita Federal in diesem Gebäude gibt. Jetzt mussten wir eine halbe Stunde mit dem Taxi quer durch Salvador zur Hauptverwaltung des Zolls (das ist ein richtig großes, blaues Hochhaus mit Großraum-Büros). Was dann folgte kann man gar nicht in allen Einzelheiten beschreiben, das muss jeder selbst erleben. Letztendlich hielten wir zwei Blätter in der Hand auf dem eine Art Ausweis gedruckt war, der Beamte machte uns noch klar das wir diesen Ausschneiden und Laminieren sollten. Keine Fragen nach dem Boot, keine Frage nach zu verzollende Sachen, nichts. Jetzt wider mit dem Taxi zurück und zur Capitania.

    ein weiter Weg bis hierher, aber dafür
    bekommt man ein besonderes Abenteuer
  3. Mit den erhaltenen Papieren (mittlerweile zwei) geht es zur Capitania. Dort sind lange Hosen und feste Schuhe für Männer angebracht, andernfalls darf man nicht hinein. Die Capitania befindet sich rechts (das große, weiße, historische Gebäude) in einem kleinen Gebäude den Weg entlang hinter der Naval Base. Aber erst muss man im Wachhäuschen sein Anliegen vorbringen, dann wurden wir zu dem Großraumbüro geführt. Wir mussten noch ein Formular ausfüllen, es wurden endlose Kopien gemacht und dann hatten wir endgültig unsere Aufenthaltsgenehmigung für Schiff und Besatzung in der Hand.
  4.  
    der Blick vom  Mercado Modelo auf die Naval Base
Für diese Aktion kann man getrost den ganzen Tag einplanen. Der Stadtteil in dem wir uns befinden, nennt sich übrigens Comércio – und ist eine Welt der Gegensätze, geballtes, lebendiges, lautes Brasilien. Das Comércio ist quasi das Manhattan der Stadt, hier haben alle Banken ihre Hauptquartiere, hier, gleich gegenüber dem Hafen, werden die Geschäfte getätigt. Schick gekleidete Frauen (in langen Hosen, Kleidern und mit geschlossenen Schuhen) und Männer (lange Hose, Hemd oder Poloshirt) streben in die Büros und Geschäfte. Auch jene in kurzen Hosen und Flipflops, gehen ihren Geschäften nach, wenn auch unklar ist, wohin Sie streben. Und dazwischen in all der Geschäftigkeit, die Junkies, abgemagert und mit Dreadlocks, und die Obdachlosen, die im Müll, auf der Straße nach Essbaren suchen oder im Schatten schlafen. Als nächste Aktion haben wir unseren Ankerplatz verlassen und sind an den Steg gegangen, da wir einen mehrtägigen Landausflug machen wollen, schien uns das sicherer, (am Steg ist es durch die Lotsenboote und Fischer auch ziemlich unruhig) . 

der Steg ist ordentlich am Wackeln
die Gangway ist Steil und bewegt sich um 1m nach links und rechts
Seit ewig langer Zeit haben wir wiedermal Landstrom. Ingrid wollte gleich die Waschmaschine rund um die Uhr laufen lassen. Aber es ging nur bis zum ersten Abpumpen, dann verriet ein merkwürdiges Knarren das die Laugenpumpe seinen Dienst verweigert. Bei 30 Grad und 87% Luftfeuchtigkeit habe ich Schweiß überströmt erst die Waschmaschine und dann die Laugenpumpe ausgebaut. Als erstes musste ich feststellen das die Pumpe eine Bauform hat, das es fast unmöglich ist, das sie so halb kaputt ist. Der Testlauf außerhalb der Waschmaschine im trockenen Zustand zeigt die Pumpe läuft bestens. Dann ein Schlauch angebracht und mit Wasser gefüllt, Pumpe knarrt und das Wasser bleibt im Schlauch. Jetzt stand ich da wie „Rudi Ratlos“. Ich setzte mich auf den Navi Platz um etwas abzukühlen, dabei schaute ich auf den Spannungsmesser und schlagartig war mir klar warum die Pumpe nicht lief. Statt der nötigen 220 Volt hatten wir nur 190 bis 200 Volt und damit konnte nichts werden. Ich hätte mir ein Loch ins Knie bohren können, die ganze Arbeit und der Schweißverlust umsonst, so ein Sch....... 

alles umsonst
Im Marina-Büro hat Ingrid das Problem angesprochen und die einzige Ausrede die ihm einfiel war der Spruch – das ist halt Brasilien. Jetzt waschen wir bis zum ersten Abpumpen mit Landstrom, dann starten wir den Generator. Zwei Tage lang machten wir einen großen Stadtbummel durch Salvador, der schon lange auf sich warten ließ (vor allen in das historische Zentrum, der Oberstadt). Salvador mit rund 3 Millionen Einwohnern ist Hauptstadt des Landes Bahia und war von 1549 - 1763 Hauptstadt Brasiliens. Schon während der Kolonialzeit blühte hier der Handel mit Brasilholz, Zucker, Tabak und Sklaven. Bis heute ist Salvador die afrikanischste Stadt Brasiliens und hat den größten Anteil an dunkler Bevölkerung, die den Charme Salvadors prägen. Bei 30 °C nicht unbedingt ein Vergnügen die Straßen auf und ab zu wandern.
tolle Fassaden in der Altstadt
schön
schöner
am schönsten
und gleich daneben Verfall
eine Gasse weiter kein Luxus aber interessant
viele Künstler sind in der Altstadt
na ja mal ein Touristen Foto
An Geschäften gibt es hier eigentlich alles was das Herz begehrt. Wenn man etwas gegen den Hunger braucht, geht man einfach in ein "Comida a Kilo" (Kilo-Restaurant) dort am Buffet packt man sich den Teller voll, lässt ihn anschließend wiegen und bezahlt (3-6 Euro). Somit bezahlt man nur das, was man essen möchte. Auch im Restaurant Camafeu (ist durchaus eine Empfehlung) im ersten Stock des Mercado Modelo kann man gut Essen. Ein leckeres Essen ist Camaräo, das ist ein Garneleneeintopf zubereitet in einem Tontopf und serviert mit Reis, Farofa (gebratenes Maniokmehl) und Maniokpaste.

das Mercado Modelo
Links Filet und rechts Camaräo
na dann guten Appetit
Nachdem wir in zwei islamische Länder waren und die Atlantiküberquerung hinter uns hatten und wir über ein halbes Jahr kein richtiges Fleisch gesehen haben war hier unser erstes wohlschmeckendes Essen „Filet a Brasileira“, beinahe hätten wir die Teller abgeleckt. Dann gibt es noch die Straßenmusik, die überall zu hören ist. Dienstags und Freitags wird verstärkt gespielt, wobei die Capoeira Tänzer einen Kampftanz ausführen, wo sich die Gegner nicht berühren dürfen.

Capoeira der Sklaventanz
sehr Akrobatisch
Hier und da laufen auch noch bettelnde Kinder und versuchen ihr Glück. An vielen Stellen steht in beiger oder blauer Uniform die Polizei und wacht über alles, viele voll bewaffnet und in schusssicheren Westen. Am ersten Tag fahren wir mit dem Aufzug Lacerda in die Oberstadt, ins Pelourinho. Der Aufzug ist auf fast jeder Ansichtskarte abgebildet. Die Fahrt ist sehr Preiswert, 0,15 Real, das sind etwa 4 Cent.
mit dem Aufzug in die Oberstadt
oder mit der Zahnradbahn
der Fahrpreis ist gering
einer kommt der andere geht
Am zweiten Tag sind wir mit der Zahnradbahn hinauf ins Pelourinho und mit dem Aufzug hinunter. Salvador (vor allen in der Altstadt), das sind traumhafte Villen, schwarz mit Schimmel überzogene Häuser und notdürftige Bretterbuden. Es sind bunte alte Kolonialbauten, oft äußerlich schön renoviert, oft mit blätternder Farbe und dem Stockflecken schwarz. Die Salzgischt der Wellen und der Wind der diese ins Land weht, lassen noch weit im Landesinneren alles korrodieren und schimmeln. Wir halten uns an die allgemeine Empfehlung einer Stunde nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr zu Fuß, in der Stadt unterwegs zu sein. Also immer mit dem Taxi fahren. Jetzt freuen wir uns auf unseren ersten mehrtägigen Landausflug nach Lencois der alten Diamanten-Gräber-Stadt. Mehr darüber im nächsten Bericht.

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