Freitag, 1. September 2017

Piriapolis

Ein wohlhabender italienischer Einwanderer namens Piria entschloss sich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen Badeort zu gründen, den er (wer kann der kann) nach seiner Wenigkeit benannte.
die Uferpromenade mit Schloss
das Häuschen von Piria wird renoviert
So ist Piriapolis jetzt der zweitgrößte Badeort des Landes, auch wenn man an einigen Stellen sieht das die wirklich „goldenen Jahre” vorbei sind. In Südbrasilien schießen die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden. Hier dagegen ist das Reich der kleinen Einfamilienhäuser, mit gepflegten Gärten und viel Privatsphäre. Das Angebot im Supermarkt zeigt, dass die Menschen hier mehr Wert auf gutes Essen legen. Die Auswahl an Käse, Wein und anderen Lebensmitteln ist viel besser als in Brasilien. In der Nähe von Piriapolis gibt es den Cerro Pan de Azúcar, dieser Berg ist mit einer Gipfelhöhe von 389 Metern der dritthöchste Punkt Uruguays. Zur jetzigen Jahreszeit (Winter) ist Piriapolis ein nettes verschlafenes Nest. Wobei der Begriff Winter aus deutscher Sicht das Wetter nicht korrekt wiedergibt, wir haben auch schon einige Bikinis am Strand gesichtet. Das Bad in der Sonne ist bei 22 °C (im Schatten) kein Problem, aber ins Wasser traut sich bei 17,5 °C keiner. Nur die Robben, die sich munter im Hafenbecken tollen, fühlen sich so richtig wohl im kalten Wasser. Zur lokalen Kultur gehört es auch (ich kann mich an den Anblick kaum gewöhnen), dass man beim Spazieren gehen immer(!) eine Thermoskanne unter dem Arm und eine spezielle Tasse für den Mate-Tee, ein bitteres lokales Getränk, in der Hand hat. Diese Tasse wird mit den zerkleinerten Blättern des Mate Strauchs vollgestopft und immer wieder mit heißem Wasser aus der Thermoskanne übergossen. Dann trinkt man den Tee langsam über den Strohhalm mit eingebautem Sieb. Der Brauch ist unabhängig vom Geschlecht, Alter und Sozialstand – jugendliche Skater wie auch Rentner, gehen scheinbar nicht aus dem Haus ohne ihre Thermoskanne.

der Verzicht auf riesige Bettenhäuser gefällt mir
so sieht es bis Montevideo aus
da macht auch ein Spaziergang Spass
der Mate-Tee Becher
Eine ganz merkwürdige Geschichte ist die Abschaffung der Eisenbahn und der konsequente Umstieg auf Busbetrieb. (Auch in Brasilien und Argentinien ist kaum eine Eisenbahnlinie zu finden)

ein Gruß an alle Eisenbahner
was für ein trauriger Anblick
Das Einklarieren war völlig problemlos. Zuerst zur Prefektura (nur ein Stück,in Richtung Zentrum, die Promenade entlang), dort haben wir alle, die uns in den Hafen geschleppt haben, wiedergetroffen. Hier noch ein paar Fotos von der zweiten Abschlepp-Aktion mit Hilfe der Prefektura. 

das Schiff kommt mit Hilfe der Prefektura
an sein richtigen Liegeplatz
gleich ist es geschafft
Dann zur Einwanderung (eine kleine Holzhütte gegenüber vom Hafen) um uns den Stempel im Pass abzuholen. Zum Zoll brauch man nicht. So einfach war es bis jetzt nirgendwo. Die Tage vergehen wie im Flug. Die ersten zwei Wochen hatten wir voll zu tun mit dem Ausbau des Getriebes und des Ölkühlers und der Bestellung der neuen Teile. Nach dem Ausbau des Getriebes zeigte sich das nächste Elend. Die Nut für die Pass-Feder auf der Antriebswelle war völlig zerstört. Das heißt das Boot muss an Land und die Welle mit Propeller muss demontiert und aufgearbeitet werden. Das Ganze war ziemlich kompliziert und schweißtreibend (das Getriebe wiegt immerhin 65 kg). Getriebe und Ölkühler wurden über eine einheimische Firma bei einem Lieferanten in den USA (den wir auch direkt bezahlten) bestellt. Ich kann gar nicht beschreiben was uns die Geldüberweisung in die USA für Kopfschmerzen bereitet hat, denn irgendwie wurde automatisch die Kontonummer umgewandelt. Als wir den Überweisungsbeleg in die USA schickten läuteten bei denen alle Alarmglocken wegen der falschen Kontonummer. Nach etlichen Anrufen bei der Bank wurde uns erklärt das alles in Ordnung sei, aber warum die Amis die Kontonummer bei der Überweisung umwandeln konnte uns keiner erklären. An dieser Stelle möchten wir uns ganz Herzlich bei dem TO-Stützpunkleiter von Montevideo, Jorge Diena, bedanken der uns an vielen Stellen tatkräftig unterstützte.

es ist unglaublich eng hier
aber es hilft nichts, das Getriebe muss raus
eine Kette durch die Steuersäule hält den Motor
es ist geschafft
die kaputte Welle
Jetzt hoffen wir das beim beim Zoll in Montevideo alles sein Gang geht und die Teile mittels „Yacht in Transit“ zum Hafen geliefert werden. Der Nachbar links von uns (ein Schlepper) ist mit ähnlichen Dingen beschäftigt (er ist in ein Sturm geraten). Ansonsten ist alles ziemlich übersichtlich hier. Auf unserer Seite des Hafens ist nur noch ein kleiner Segler (aus Uruguay) besetzt. Die größten Aktivitäten finden auf der Baustelle an der Hafenmauer statt.
Baustelle 1
Baustelle 2
Baustelle 3
Dort wird der neue Fähr-Anleger und dessen Zufahrt gebaut. In der zweiten Woche fuhren wir zum ersten mal mit dem Bus nach Montevideo und nutzen den Tag, um uns die Stadt anzusehen und vor allen um den Bootsausstatter im Yacht Club Uruguayo (YCU) zu besuchen. Nach der Bebauungsfläche und -dichte zu schließen, leben hier die meisten Uruguayer. Man muss wissen, Uruguay hat nur knapp 3 Millionen Einwohner. Es ist aber flächenmäßig gar nicht so klein, so dass die ländlichen Gegenden sehr einsam sind. Die Hauptstadt Montevideo ist erstaunlich grün und farbenfroh. Wir sind von dem Warenangebot überrascht. Beim Bootsausstatter haben wir uns zwei große Edelstahlfedern gekauft, die wir als Zugentlastung am Bootssteg nutzen werden. Eins ist auffällig, bei allem was etwas teurer ist steht der Preis in US Dollar auf dem Schild und man muss genau schauen, denn das Währungszeichen für den Peso sieht genauso aus. Aber andersherum kann man sicher sein das man hier (wie auch in Argentinien) keine Schnäppchen macht, denn es ist hier verdammt teuer. Alleine die Kosten für unser Getriebe, den Ausbau der Antriebswelle und deren Reparatur verursachten bei mir Anfangs Schnapp-Atmung. Der Stundenlohn eines Schlossers liegt bei 100 Dollar (aber man kann dafür nicht etwa ein Hochgeschwindigkeits-Schlosser erwarten). Da es für uns keine Alternative gibt bleibt nur eins, Augen zu und durch. Aber eins mussten wir schon in der ersten Woche feststellen, wenn es in Uruguay etwas im Überfluss gibt, dann ist das Wind. Wir sind nicht einmal eine ganze Woche hier, schon zieht der erste Pampero durch. Kalte Luft aus der argentinischen Pampa bahnt sich den Weg nach Norden und fegt alles was nicht niet und nagelfest ist weg. Die Wellen waren so hoch das sie über die Hafenmauer brachen. Die Baustelle wurde geschlossen. Riesige Brecher rollen zum Ufer. Da wo gestern ein breiter Sandstrand war, sind heute nur Gischt und Schaum zu sehen. Der Wind pfeift in den Masten und peitscht die Gischt über den Steg. Das Wasser des Río de la Plata (auf deutsch Silberfluss) stieg dermaßen hoch das nur noch wenige Zentimeter bis zu den Stromkästen fehlten. 

beeindruckende Wellen
brechen über die Hafmauer
keine Chance den Hafen zu verlassen
wenige Zentimeter bis zum Stromkasten
Drei Wochen später hatten wir ein Rekord in die andere Richtung, der Sturm blies längere Zeit aus NW und als Folge viel der Wasserstand um 2,5 m. Die Bucht mit dem großen Sandstrand war zur Hälfte trockengelegt. Für uns war es ein Riesen Problem, denn die Ketten der Mooring-Tonnen (Festmacher Bojen) werden mit sinkenden Wasserstand immer länger und die Gefahr mit dem Beton-Steg zu kollidieren immer größer. Des weiteren konnten wir das Boot nicht mehr verlassen, wir standen ja praktisch unter dem Steg.


das Boot ist weit unterhalb des Stegs, die Davids (Halterung für Schlauchboot) können unter den Steg geraten
es ist Nachts um drei Uhr, die Leinen zu den Muring-Tonnen müssen fester gezogen werden
der Strand ist dreimal so groß, obwohl das Wasser schon wieder angestiegen ist
Es ist uns sowieso ein absolutes Rätsel warum hier diese aufwändigen Beton-Stege und keine Schwimmstege gebaut wurden. Vielleicht hat es mit den Robben zu tun, denen würden flache Schwimmstege zum abruhen auch gefallen. Das Problem ist sie sind alles andere als stubenrein. Mittlerweile gehören die zwei Robben die sich neben uns auf dem Pilot-Boot und auf dem Segler sonnen und schlafen fast zu unseren Haustieren. Besonders Witzig ist es wenn man vorbei geht und man irgend etwas sagt (na du oder na wie geht es) und er auf der Seite liegend die Flosse hebt – frei nach dem Motto, ich grüße dich auch . 


der Weg zu einem trocknen Platz
Robben, Robben, Robben
Unser persönliches Empfinden das ja durch die „Beinah-Katastrophe“ vor La Paloma ordentlich angeknackst wurde hat sich zwar etwas verbessert, aber wir haben immer noch nicht entschieden ob wir weiter nach Süden nach Feuerland oder zurück zur Barfußrute (Karibik) segeln. Der Gedanke das dieser Antriebsausfall bei Starkwind irgendwo im Beagel Kanal oder der Magellan Straße weit weg von jeder Hilfe (Segeln ist meistens nicht möglich) stattgefunden hätte verursacht immer noch eine Gänsehaut. Zurück nach Norden ist sehr verlockend, die letzten zwei Jahre mussten wir feststellen das Temperaturen um die 30°C gut für uns sind (hier, bei frischem Wind wird es dem wärme verwöhnten Skipper schnell zu kalt..) Jetzt erwarten wir erst einmal die Ankunft unsere Tochter und unseres Enkel und wir freuen uns auf den zweiten Ausflug ins Innere von Südamerika – nach Iguazu zu den Wasserfällen … aber das ist Stoff eines weiteren Posts. Große Freude: Einen Tag vor unserer Abfahrt nach Iguazu ist das Getriebe und der Ölkühler eingetroffen, um die 65 kg an Bord zu bekommen muss man sich schon etwas einfallen lassen. Jetzt können wir wirklich entspannt unsere Inlandsreise antreten (Uruguay, Argentinien, Brasilien, Paraguay)


das Getriebe ist da
auspacken, sich was einfallen lassen
und aufs Schiff damit

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